Abwehransprüche

Selbsthilferechte und das Gewaltschutzgesetz

Zuweilen arten Auseinandersetzungen im nachbarlichen Verhältnis aus. Wo es zunächst nur um über die Grenze wuchernde Sträucher, den Umfang eines Fahrrechtes oder die Häufigkeit und Intensität von Grillfesten geht, eskaliert das nachbarliche Miteinander zuweilen über verbale Beleidigungen bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen.

Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Lösungen die bundesdeutsche Rechtsordnung in solchen Fällen parat stellt.

Zunächst der Grundsatz:

Man hat die Person und das Eigentum seines Nachbarn, mag er einem auch noch so auf die Nerven gehen, zu respektieren.

Dringt man ohne Zustimmung des Nachbarn auf dessen Grundstück ein, um Störungen jedweder Art zu beseitigen, begeht man einen Hausfriedensbruch und hat damit nicht nur ein nachbar- sondern gleich ein strafrechtliches Problem. Weiter sind natürlich auch körperliche Angriffe jeglicher Art zur Lösung eines Nachbarstreits grundsätzlich verboten.

Der Gesetzgeber hat ungeachtet der vorstehenden Grundsätze natürlich erkannt, dass es Situationen gibt, in denen Besitz oder körperliche Unversehrtheit eines Dritten in Mitleidenschaft gezogen werden und diese Verletzung von Rechtsgütern von der Rechtsordnung gestattet oder zumindest nicht missbilligt wird. Klassisches Beispiel ist die Zerstörung eines Fensters im Nachbarhaus, um dort einen Brand zu löschen. Straftatbestände wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung, die bei einer solchen Aktion in Frage kommen, scheiden mangels Widerrechtlichkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Handelns aus.

Im nachbarlichen Verhältnis kommen dabei folgende Rechtfertigungsgründe in Betracht:

Notwehr

Wird man selber von seinem Nachbarn angegriffen, dann darf man die zu seiner Verteidigung erforderlichen Handlungen vornehmen. Dabei müssen die zur Verteidigung eingesetzten Mittel immer verhältnismäßig sein. Es kann auch die Pflicht bestehen, einem körperlichen Angriff durch den Nachbarn nur auszuweichen. Der Einsatz von Waffen ist nur als allerletztes Mittel und nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig.

Notstand

Zur Abwehr einer drohenden Gefahr darf man eine im Eigentum des Nachbarn stehende Sache beschädigen oder sogar zerstören. Die Handlung muss wiederum sowohl erforderlich als auch verhältnismäßig sein.

Auch darf man vom Nachbarn nicht gehindert werden, eine auf seinem Grundstück befindliche Sache zu beschädigen oder zu zerstören, wenn von dieser Sache eine gegenwärtige Gefahr ausgeht und der drohende Schaden unverhältnismäßig groß ist.

Abschneiden von überhängenden Zweigen oder Wurzeln

Für diese speziellen Fälle im nachbarlichen Verhältnis sieht das Gesetz in einem eigenen Paragrafen ein Selbsthilferecht vor. Einzelheiten hierzu sind in einem eigenen Kapitel des Nachbarrecht-Ratgebers nachzulesen.

Über diese Rechtfertigungsgründe hinaus enthält das Gesetz einen eigenen Paragrafen, der sich mit den Rechten zur Selbsthilfe beschäftigt. Dort ist jedoch ausdrücklich geregelt, dass jegliche Selbsthilfemaßnahmen nur dann zulässig sind, wenn "obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist". Dies bedeutet, dass die weit überwiegende Mehrzahl der nachbarlichen Auseinandersetzungen nicht in Eigenregie, sondern mit Hilfe der Polizei und vordringlich mit Hilfe der Gerichte gelöst werden müssen.

Dabei wird die Polizei nur bei Vorliegen eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestandes in den Nachbarstreit eingreifen. Der Schutz privater Rechte darüber hinaus obliegt nicht der Polizei, sondern den staatlichen Gerichten.

In diesem Zusammenhang kann bei Exzessen im nachbarlichen Verhältnis seit dem Jahr 2001 das so genannte Gewaltschutzgesetz zur Anwendung kommen. Hat danach jemand seinen Nachbarn vorsätzlich verletzt, dann kann das Gericht auf Antrag des betroffenen Nachbarn erforderliche Maßnahmen zur Abwendung weiterer Verletzungen treffen.

Das Gericht kann insbesondere anordnen,

  • dass es der Täter unterlässt, die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
  • sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
  • zu bestimmende andere Orte aufzusuchen,an denen sich die Person regelmäßig aufhält,
  • Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Kommunikationsmitteln, aufzunehmen,
  • Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen.

Diese Maßnahmen können Gerichte im Übrigen nicht nur bei renitenten Nachbarn verhängen, sondern insbesondere auch in Fällen, in denen im familiären Bereich Auseinandersetzungen mit gewaltsamen Mitteln ausgetragen werden.